Esoterik: Eine „Engelkönigin“ findet Jesus
Doreen Virtue war einer der Stars in der internationalen Esoterikszene. Die
Amerikanerin (Jhg. 1958) schrieb u.a. über 50 Bücher zum Thema „Engel“. Beispiele: „Alles über Engel“, „Maria, Königin der Engel“, „Die Heilkraft der Engel“ oder „10 Botschaften deiner Engel“.
Sie war lange Jahre „die“ Bestsellerautorin im weltweit größten Esoterikverlag Hay House. Auch in Deutschland bot die zweifache Mutter Engeltherapien an, um Menschen beizubringen, ihre medialen Begabungen zu entdecken und zum Wohle anderer einzusetzen. Nach eigenen Angaben kommunizierte sie mit Engeln wie angeblich mit den Erzengeln Michael und Raphael – letzterer wird allerdings nur in den Apokryphen erwähnt. Nicht nur das: Virtue spielte auf der gesamten Klaviatur des Okkulten: von Hellsehen, Bearbeitung ihrer Chakren (Einfallspunkte für okkulte Kräfte am menschlichen Körper), Feng-Shui, Reinigung mit Kristallen, Totenbefragungen bis zu Yoga.
Doch am 7. Januar 2017 begann ein Prozess, der die Esoterikerin total verändern sollte. Ein Prozess, der sie auch aus einem luxuriösen Leben in ein bescheidenes Dasein stürzte. Darüber hat Virtue
ein Buch geschrieben, das vor Kurzem im Verlag GerthMedien (SCM Verlagsgruppe GmbH) auf Deutsch erschienen ist. Sein Titel: „Von der Engelkönigin zur Königstochter – Eine weltbekannte Esoterikerin findet zum christlichen Glauben“.
Einen Anlass für das Erscheinen des Buches formuliert der ehemalige Eso-Star so: „Zweck dieses Buches ist es, Menschen über die dunklen Seiten und die Nuancen der Esoterik zu informieren, damit sie
die Lügen, die sich in die Kirche eingeschlichen haben, erkennen und nicht auf sie hereinfallen.“ Die junge Virtue wuchs in einem Umfeld auf, das sie sehr verhängnisvoll prägte. Es war eine Mischung
aus christlichem und esoterischem Gedankengut. Virtues Mutter gehörte zur Sekte der Christlichen Wissenschaft (Christian Science). Diese Glaubensgemeinschaft bekennt sich zwar zur Inspiration der Bibel, deren
Auslegung wurde jedoch wesentlich durch die Privatoffenbarungen der Sektengründerin Mary Baker Eddy (1821-1910) geprägt. Sie behauptete, Geheimnisse Gottes erfahren zu haben. Durch diese Offenbarungen weichen die
Glaubensaussagen der Christlichen Wissenschaft wesentlich von biblischen Inhalten ab. Wie auch das Menschenbild der Sekte zeigt: Es wird behauptet, Sünde, Krankheit und Tod seien nur Einbildungen und
Sinnestäuschungen des irrenden menschlichen Geistes. Virtue schreibt, dass ihr beigebracht wurde, es gebe keinen Teufel, keine Sünde und keine Hölle und Jesus sei auch nicht gekreuzigt worden. Deshalb habe sie das
Wort Gottes mit seiner wahren Botschaft zunächst nicht erreichen können, obwohl die Bibel bei der Sekte regelmäßig gelesen wurde. Virtue, die auch eine Ausbildung als Psychotherapeutin absolvierte,
schreibt, sie habe sich auch als „Engelkönigin“ mit dem gesamten okkulten Programm, das sie absolvierte, stets als Christ gefühlt. Aufgrund der Prägung durch die Christliche Wissenschaft sei sie nie auf die Idee
gekommen, dass bezüglich ihres Christseins etwas nicht stimmen könne. Wie Virtue berichtet, habe sie schon als Kind Visionen gehabt, die dann aber vollständig abebbten. Doch als sie die Arbeit als Psychotherapeutin
aufnahm, brandete wieder diese Welle von Visionen auf. Sie traf präzise Aussagen über ihre Patienten, von deren Inhalt sie nie etwas wissen konnte. Virtue schreibt: „Auffallend war, dass diese Visionen detailliert,
zutreffend und hilfreich waren. Wie hätte ich auf die Idee kommen sollen, dass sie einen bösartigen Ursprung hatten? Der Feind (also Satan, die Red.) vermischt Wahrheit und Trost mit seinen Lügen, damit wir seinen
Botschaften naiv vertrauen.“
Virtue wurde in ihrer Therapeuten-Tätigkeit immer erfolgreicher, weil die Botschaften, die sie erhielt, ihrer Meinung nach von Engeln kamen, und Menschen wurden dadurch gesund und erfolgreich. Erst später erkannte sie, dass nirgendwo im Worte Gottes Menschen aufgefordert werden, Engel zu kontaktieren, um von ihnen Botschaften zu bekommen.
Die „Engelkönigin“ wurde alsbald zum Eso-Superstar und hielt von den 1990er bis in die 2010er Jahre Seminare auf der ganzen Welt, in denen sie Menschen beibrachte, ihre Schutzengel und Engel
überhaupt zu kontaktieren. Sie schreibt: „Keiner von uns machte sich Sorgen, dass diese ‚Engel‘ getarnte Dämonen sein könnten.“ Besonders spannend und geradezu einzigartig sind die Einblicke, die
Virtue in die ansonsten abgeschottete Eso-Szene gewährt. Nach ihrer Beobachtung hätten viele Esoteriker, so wie sie selbst auch, Probleme mit Vätern gehabt. Deshalb lehnten die „Esos“ das angebliche Patriarchat des
Christentums ab. Ein Hauptgebot in der Eso-Szene sei: Nach außen immer positiv sein, obwohl man auch Probleme und Nöte habe. Bei Partys unter den Stars der Eso-Szene beispielsweise mit Marianne Williamson, Deepak
Chopra oder Neal Donald Walsch sei fast immer jede Menge Alkohol geflossen, der zur Enthemmung und noch viel mehr geführt habe. Doch sowohl die Rolle als Eso-Star, der mit Büchern und esoterischen
Produkten wie Engelkarten als Wahrsageinstrument und Kursen sehr viel Geld verdient hatte, war Virtue nicht glücklich. Sie schreibt dazu: „Ich habe es selbst erlebt: Ohne Jesus sind echte Freude und Frieden nicht
möglich. Solange wir Jesus nicht als Mittler haben, ist unsere Beziehung zu Gott gestört. Deshalb war ich selbst in diesen äußerlich so erfolgreichen Jahren nicht wirklich glücklich.“ Doch Gott gefiel es, die
„Engelkönigin“ aus der Esoterik herauszuziehen. Der Weg aus der Esoterik begann auf eine etwas merkwürdige Weise. Virtue kreierte nicht nur Engelkarten, sondern auch Jesus-Karten für die Eso-Szene,
da Jesus dort als „Lehrer“ durchaus geschätzt wird. Als sie in den Evangelien las, um Bibelsprüche für die Karten zu finden, „wurden meine Augen für die Wahrheit geöffnet.“ Und dann kam der 7. Januar 2017: „Dieser
Tag veränderte mein Leben und meine Ewigkeit für immer.“ Virtue selbst beschreibt das Geschehen vorsichtig, weil sie weiß, dass sich bei manchen konservativen Christen „die Nackenhaare sträuben“ werden, wenn sie
davon erfahren. In einem Open-Air-Gottesdienst habe sie eine Vision gehabt und eine männliche Gestalt in einem weißen leinenähnlichen Gewand gesehen. Dieser Mann sei während des ganzen Gottesdienstes einfach nur
still anwesend gewesen. Virtue war davon überzeugt: Es kann nur der auferstandene Jesus selbst gewesen sein. Sie schreibt dazu: „Da ich seit meiner Kindheit Visionen gehabt hatte, ist es vielleicht auch
folgerichtig, dass Gott bei mir eine Vision benutzte, um mich zu retten.“ Biblisch folgerichtig war dann allerdings, was nach diesem Erlebnis geschah. Virtue erkannte, dass sie 22 Jahre Dämonen
gedient hatte, die sich als Engel ausgaben. Sie tat Buße, begann, kräftig in der Bibel zu lesen und vernichtete alles, was sie an ihre alte Vergangenheit erinnern könnte. Ihr Verlag, der mit ihr Millionen verdiente,
trennte sich von der damals 58-Jährigen, und Virtue stürzte wirtschaftlich drastisch ab. Die ehemalige „Engelkönigin“ schreibt gegen Ende ihres Buches: „Als ich auf den Knien lag, weinte, mich bei
Gott entschuldigte und ihn anflehte, wurde mein Stolz und mein Irrglaube endlich durch Gottes Wort gebrochen. Ich betete, dass Jesus mein Herr und Erlöser sein soll und mich führen möge.“ Heute warnt
die ehemalige „Engelkönigin“ davor, dass getarnte Esoterik in die christlichen Gemeinden eindringe wie etwa in Form von Geistführern, Trance, Kraftobjekten, Hellsehen, Hellhören oder fernöstlicher Meditation: „Was
ich in einigen Kirchen sah, war praktisch identisch mit den Körper-Seele-Geist-Seminaren, die ich 25 Jahre lang angeboten hatte. Der einzige offensichtliche Unterschied war, dass wir in der Esoterik Einkommenssteuer
gezahlt hatten.“ Daten zum Buch: 256 Seiten, Preis: 17,00 Euro, ISBN 978-3-95734-737-4, Bestell-Telefon: 06443-6832 (GerthMedien)
TOPIC Nr. 12/2021
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