Genießer oder Sklave? – Die wahre Identität in Christus
Von Thorsten Brenscheidt, Uhldingen
Ein neuer Trend führt zu konträren Positionen
Unzählige Ratgeber, das Leben zu gestalten, überschwemmen den christlichen Büchermarkt. Dabei fällt
auf, das ein neuer Schwerpunkt aus dem säkularen Wellness-Bereich übernommen wird, nämlich das Leben zu genießen, lustvoll und mit allen Sinnen. Auch Evangelikale werden jetzt dazu angeleitet, sich
selbst zu verwöhnen, sich etwas Gutes zu tun und eben das Leben so richtig zu genießen. Nachfolgend sei zunächst vom Neuen Testament her untersucht, was dem Gläubigen zu seinem eigenen Leben
bezüglich Selbstversorgung und Genuss geboten und verheißen ist. Welche Identität hat der Gläubige in
Christus? Ist er ein Genießer seines Glaubens und Lebens oder ein Sklave seines HERRN? Diese beiden konträren Identitäten werden anschließend anhand zweier Publikationen untersucht, was zu
aufschlussreichen Ergebnissen führt. Je weiter die Zeit vor der Wiederkunft Christi voranschreitet, desto
schneller wird der christliche Glaube offenbar von Trends und Strömungen des Zeitgeistes beeinflusst und
verändert. Diese pessimistische Grundsicht bezüglich der Endzeit teilen die meisten Bibelleser. Dazu nur zwei grundlegende Schriftstellen:
1. Timotheus 4,1:
„Der Geist aber sagt ausdrücklich, dass in späteren Zeiten etliche vom Glauben abfallen und sich
irreführenden Geistern und Lehren der Dämonen zuwenden werden.“
2. Thessalonischer 2,3:
„Lasst euch von niemand in irgendeiner Weise verführen! Denn es muss unbedingt zuerst der
Abfall kommen und der Mensch der Sünde geoffenbart werden, der Sohn des Verderbens.“
Was lehrt die Bibel zu Selbstversorgung und Genuss?
Aufgrund dieser warnenden Aussichten werden die Gläubigen in den Briefen der Apostel mehrfach zur Nüchternheit und Wachsamkeit gerufen. Doch bereits in den Evangelien wird vom HERRN Jesus selbst der
Grund gelegt, was einen Christen bezüglich seiner Prioritäten und seiner Selbstsicht einschließlich Versorgung und Genuss ausmacht.
Lukas 21,34-36:
„Habt aber acht auf euch selbst, dass eure Herzen nicht beschwert werden durch Rausch und
Trunkenheit und Sorgen des Lebens, und jener Tag unversehens über euch kommt! Denn wie ein Fallstrick wird er über alle kommen, die auf dem ganzen Erdboden wohnen. Darum wacht
jederzeit und bittet, dass ihr gewürdigt werdet, diesem allem zu entfliehen, was geschehen soll, und vor dem Sohn des Menschen zu stehen!“
Dieses Achthaben auf sich selbst ist dem Gläubigen für die Endzeit geboten. Es ist nicht geboten, das
Leben zu genießen, sondern – ganz im Gegenteil – sich nicht zum einen durch übermäßigen Genuss und zum anderen durch Sorgen beherrschen zu lassen. Stattdessen ist nüchterne Wachsamkeit geboten.
Dieses Wachen lenkt die Aufmerksamkeit auf geistliche Belange, während das Genießen auf irdische Belange zielt. Der Gläubige steht vor der Frage: Wem will ich dienen? Gott und seinem Reich oder mir
selbst und der Welt?
Matthäus 6,24:
„Niemand kann zwei Herren dienen, denn entweder wird er den einen hassen und den anderen
lieben, oder er wird dem einen anhängen und den anderen verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon!“
Das hier erwähnte „dienen“ (altgr.: douleuw) impliziert nicht die Möglichkeit einer freien Wahl, wofür man
sich entscheiden kann, sondern deutet auf Unterwerfung hin. Wer dem Mammon dient, tut dies als Gebundener, wie ein Knecht oder Sklave. Er wird von ihm beherrscht. Der nach Genuss Strebende dient
seinen Lüsten und Vergnügungen. Der Apostel Paulus greift diesen Zustand auf in Titus 3,3a:
„Denn auch wir waren einst unverständig, ungehorsam, gingen in die Irre, dienten mannigfachen Lüsten und
Vergnügungen.“
Es fällt auf, dass Paulus hier die Vergangenheit so negativ beschreibt, dass die ganze Lebensweise
abzulehnen ist, denn damit „gingen (wir) in die Irre“. Auch werden keine konkreten sündhaften Vergnügungen genannt; es wird vielmehr allgemein gehalten, da der ganze Lebensstil ungeistlich ist.
In Johannes 8,34 wird festgestellt:
„Jeder, der die Sünde tut, ist ein KnechtderSünde.“
Es ist daher ein sehr ernstes Thema mit deutlichen Konsequenzen, wonach der Mensch sein Leben
ausrichtet. Nicht nur Geld und Besitz wollen als Götze mit dem wahren Gott konkurrieren, sondern auch der Egoismus will seine irdischen Belange nach Genuss und Wohlstand vor die Belange Gottes stellen.
Entweder bin ich himmlisch gesinnt oder irdisch gesinnt. Entweder bin ich ein Sklave Jesu Christi oder ein
Sklave des weltlichen Systems. Zu diesem weltlichen System, das durch den Fürst dieser Welt beherrscht
und beeinflusst wird, gehört auch das Streben nach Genuss. Streben nach eigenen Bedürfnissen dient
nicht dem HERRN, sondern ist weltlich, irdisch und egoistisch. In Matthäus 6,32 wird deutlich, dass dies das Kennzeichen der Ungläubigen ist:
„Denn nach allen diesen Dingen trachten die Heiden, aber euer himmlischer Vater weiß, dass ihr
das alles benötigt.“
Sicherlich benötigen auch Gläubige eine irdische und materielle Versorgung, aber sie sollen nicht selber
dafür sorgen, sondern sich versorgen lassen.
Matthäus 6,33:
„Trachtet vielmehr zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch
dies alles hinzugefügt werden!“
Das bedeutet in letzter Konsequenz, dass ich entweder dem HERRN diene oder mir selbst. Auch der
Apostel Paulus kennt nur dieses Entweder-Oder und befiehlt in Kolosser 3,2:
„Trachtet nachdem, wasdroben ist, nicht nachdem, was auf Erden ist.“
Eine persönliche Frage: Habe ich es mir als Erdenbürger gemütlich eingerichtet oder bin ich ein
Himmelsbürger, der sich auf der Erde nur als Fremder sieht und einem himmlischen Auftrag nachgeht?
Philipper 3,20:
„Unser Bürgerrecht aber ist im Himmel, von woher wir auch den Herrn Jesus Christus erwarten
als den Retter.“
Hebräer 13,14:
„Denn wir haben hier keinebleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“
Diese überaus deutlichen Kontraste zwischen Irdischem und Himmlischem, Fleischlichem und Geistlichem
sowie Seele und Geist sind natürlich und normal. Das Wort Gottes deckt das natürliche, sündhafte Wesen des Menschen auf.
1. Korinther 2,14:
„DernatürlicheMensch aber nimmt nicht an, was vom Geist Gottes ist; denn es ist ihm eine
Torheit, und er kann es nicht erkennen, weil es geistlich beurteilt werden muss.“
Wer geistlich gesinnt sein will, erlebt nicht Genuss seines natürlichen Lebens, sondern oft Schmerz und
den Kampf der Überwindung, weil Gottes Wort seine egoistischen Absichten offenbart und die natürlichen Gedanken und Gesinnungen des Herzens richtet.
Hebräer 4,12:
„Denn das Wort Gottes ist lebendig und wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert,
und es dringt durch, bis es scheidet sowohl Seele als auch Geist, sowohl Mark als auch Bein, und es ist ein Richter der Gedanken und Gesinnungen des Herzens.“
Wer dagegen sein Leben genießen will, wird es nicht verleugnen, sondern alle irdischen Bedürfnisse
beachten und versorgen.
Lukas 9,23:
„Er sprach aber zu allen: Wenn jemand mir nachkommen will, so verleugne er sich selbst und
nehme sein Kreuz auf sich täglich und folge mir nach.“
Nach dem „Auf sich selbst achthaben“ in Lukas 21,34 ist hier zum zweiten Mal die Blickrichtung auf „sich
selbst“ zu finden, nämlich sich selbst zu verleugnen. Es ist überdeutlich, dass diese Blickrichtung
ausschließlich dazu dient, letztendlich außerhalb seiner Selbst Erfüllung zu finden, anstatt eigene
Bedürfnisse zu pflegen und Genüsse zu befriedigen. Wer jedoch sein Leben genießen will, wird es nicht
hassen – im Gegenteil: Er wird in erster Linie sich selbst Gutes tun, um sich das Leben zu erleichtern. Er wird sich selbst belohnen, um das Leben zu genießen.
Johannes 12,25:
„Wer sein Leben liebt, der wird es verlieren; wer aber sein Leben in dieser Welt hasst, wird es
zum ewigen Leben bewahren.“
Das Leben genießen zu wollen, ist eine irdische Gesinnung. Resultiert ein Genießen aus dem Dienst für
Gott, ist es eine besondere Gnade, auf die aber kein Anspruch besteht. Grundsätzlich reicht uns Gott alle
guten Gaben zum Genuss dar (1Tim 6,17), es dürfen aber nicht die Prioritäten verschoben werden. Ansonsten gilt die Ermahnung in Jakobus 5,5a:
„Ihr habt euch dem Genuss hingegeben.“
Paulus ermahnt auch die Witwen gottesfürchtig zu leben und tadelt in 1. Timotheus 5,6:
„Eine genusssüchtige jedoch ist lebendig tot.“
Das Leben zu genießen ist weder vom HERRN, den Aposteln und Propheten vorgelebt, noch geboten. Wer
als Himmelsbürger sich selbst verleugnet, sein Fleisch gekreuzigt hat, nach Gottes Reich trachtet, im
Glaubenskampf steht und dennoch sein Leben in der antichristlich beeinflussten Welt als Licht mitten in
der Finsternis genießen will, stellt das biblische Weltbild komplett auf den Kopf und offenbart damit nur, dass er nicht geistlich, sondern fleischlich gesinnt ist.
Römer 8,5-8:
„Denn diejenigen, die gemäß [der Wesensart] des Fleisches sind, trachten nach dem, was dem
Fleisch entspricht; diejenigen aber, die gemäß [der Wesensart] des Geistes sind, [trachten] nach dem, was dem Geist entspricht.Denn das Trachten des Fleisches ist Tod, das Trachten des
Geistes aber Leben und Frieden, weil nämlich das Trachten des Fleisches Feindschaft gegen Gott ist; denn es unterwirft sich dem Gesetz Gottes nicht, und kann es auch nicht; und die im
Fleisch sind, können Gott nicht gefallen.“
Wer nicht geistlich gesinnt ist, wird letztendlich auch ernten, was er gesät hat.
Galater 6,8:
„Denn wer auf sein Fleischsät, der wird vom Fleisch Verderben ernten; wer aber auf den Geist
sät, der wird vom Geist ewiges Leben ernten.“
Christof Lenzen: „Glauben genießen“
Nachfolgend ein Beispiel eines Plädoyers für ein genussorientiertes Christsein.
Christof Lenzen ist Pastor der Freien Evangelischen Gemeinde Eschweiler und schrieb 2008 das Buch
„Glauben genießen. Eine kulinarische Reise zu einem authentischen Christsein“. Darin behandelt er folgendes Problem: „Statt mit allen Sinnen zu glauben, denken viele Christen, das Leben mit Jesus
bestehe vor allem aus Entbehrung, Leid und mühevoller Disziplin. Doch der Glaube an Jesus Christus ist
das Beste, was einem Menschen passieren kann. Er ist eine Bereicherung unseres Alltags und führt zu mehr Lebensgenuss.“1
Das, was Lenzen beschreibt, woraus „das Leben mit Jesus bestehe“, ist eigentlich eine nachvollziehbare
Zusammenfassung bekannter Schriftstellen zu Kreuzesnachfolge und Jüngerschaft beim Apostel Paulus
und beim HERRN Jesus selbst. Aber es stellt für Lenzen ein Problem dar, denn eigentlich führe der Glaube
„zu mehr Lebensgenuss“. Der Autor versäumt es leider von Anfang an, seine Thesen biblisch zu belegen oder zu begründen.
„Aber auch die Ewigkeit mit dem Herrn beginnt mit einem gigantischen Festmahl. Das ist ein starkes Bild,
das in mir große Vorfreude auslöst. Da wird gefeiert und gejubelt, geschmaust und getrunken. Für den
Juden Jesus und seine jüdischen Jünger war und ist es eindeutig: Ewigkeit ist sinnlich und durchaus körperlich.“2
Hier scheint Lenzen ein fleischlich-seelisches Schlemmen und Schmausen zu verwechseln mit der
geistlichen Erfüllung, die in der Ewigkeit auch mit einem gigantischen Festmahl nicht konkurrieren kann.
Der Gläubige wird im Himmel seine Erfüllung allein im HERRN selbst haben, so dass alles Äußerliche wie
ein Festmahl nur noch nebensächlich sein kann, wie gigantisch es auch immer sein mag. Lenzen scheint zu übersehen, dass zwischen dem menschlichen Empfinden auf der Erde und dem Empfinden im Himmel
ein entscheidender Unterschied besteht. Dort werden alle Bedürfnisse und Sehnsüchte gestillt sein und die Erwartungshaltung verändern. Alles dort Vorhandene ist zwar eine exzellente Beigabe in der
Vollkommenheit, aber eben nur eine Beigabe, auf die man sich nicht mehr konzentrieren wird in Form eines üppigen Schlemmens oder Schmausens.
„Trotzdem gibt es bis heute im Christentum und in der christlichen Szene von katholisch bis freikirchlich
eine seltsame Zuneigung zu solchen bedauernswerten Figuren und vor allem zu deren Lebenshaltung, die zusammengefasst in einigen Schlagworten lauten könnte: Die Welt ist ein Jammertal, alles ist schlecht
und böse, Leiden ist wichtig, Verfolgtwerden noch besser, Lebensfreude ist verdächtig und entspricht bloß
dem Zeitgeist. Da werden eindeutige Kategorien aufgebaut: schwarz – weiß, böse – gut, Lachen – Ernsthaftigkeit usw.“3
Der FeG-Pastor beschreibt wiederum die Lebensrealität eines Christen. Auch der Dualismus von gut und
böse ist biblisch. Allerdings verwechselt er diese Realität mit einem verkrampften, selbstkasteienden
Christsein, dass unausgewogen und unnatürlich Leid der Freude vorzieht. Es ist nicht zu bemängeln oder
zu verurteilen, wenn Christen noch „eindeutige Kategorien“ haben, sondern wenn diese in ungeistlicher Weise gebraucht werden.
„Das Evangelium als Botschaft der Weite und Freiheit ist stets und immer wieder aufs Neue bedroht durch
das Pharisäertum ..“4
Wenn diese Weite und Freiheit biblisch begründet ist, ist dagegen natürlich nichts einzuwenden. Lenzen
scheint jedoch eher eine Art von Großzügigkeit und Offenheit einem gesetzlichen Pharisäertum gegenüberzustellen. Das bereits erwähnte Denken in „eindeutigen Kategorien“ ist für Christof Lenzen
bereits gesetzlich. Es ist jedoch nur eine falsche, ungeistliche Gesetzlichkeit unbiblisch und pharisäisch.
Ãœberdies ist das Kennzeichen der Endzeit nicht Gesetzlichkeit, sondern zunehmende Gesetzlosigkeit.
Matthäus 24,12:
„Und weil die Gesetzlosigkeit überhand nimmt, wird die Liebe in vielen erkalten.“
„Sie, lieber Leser, und ich, wir als ganz normale Durchschnittschristen ...“5
Diese „ganz normalen Durchschnitschristen“ sind kein biblisch erstrebenswertes Kriterium. Stattdessen
werden biblisch eben wieder „eindeutige Kategorien“ beschrieben, die Lenzen jedoch als gesetzlich ablehnen wird, nämlich „heiß“ und „kalt“ bzw. „lau“.
Offenbarung 3,15-16:
„Ich kenne deine Werke, dass du weder kalt noch heiß bist. Ach, dass du kalt oder heiß wärst! So aber,
weil du lau bist und weder kalt noch heiß, werde ich dich ausspeien aus meinem Mund.“
Auch der Apostel Paulus fordert in „eindeutigen Kategorien“ auf, wie Christen sein sollten.
Römer 12,11b:
„Seid brennend im Geist, dient dem Herrn!“
„Ganz normale Durchschnittschristen“ sind nicht der Maßstab, sondern geistliche und reife statt
fleischliche und unmündige Christen.
1. Korinther 3,1:
„Und ich, meine Brüder, konnte nicht zu euch reden als zu geistlichen, sondern als zu
fleischlichen [Menschen], als zu Unmündigen in Christus.“
Desweiteren moniert Lenzen Sprüche wie „Ich zwinge mich zum Gebet, weil es gut für mich ist. Gebet ist
ein Opfer!“6
Investitionen im Glaubensgehorsam sind für Lenzen wiederum gesetzlich. Wer sich zu etwas zwingt,
macht es ja nicht, weil es ihm in erster Linie Spass oder Freude macht und er dazu gerade Laune hat. Es ist eben ein Opfer, das auch biblisch geboten ist.
Hebräer 13,15:
„Durch ihn lasst uns nun Gott beständig ein Opfer des Lobes darbringen, das ist die Frucht der
Lippen, die seinen Namen bekennen!“ „Wenn es Freude macht, ist es durchaus okay, ...“7
Hier stellt sich die Frage, was eigentlich die Grundlage des Christseins ist. Der Gehorsam dem Wort
Gottes gegenüber oder mein Gefühl, dass mir selber etwas auch Freude macht. Andere Motive wie Gehorsam, Treue und Disziplin, die zum Wachstum im Glauben führen sollen, sind biblisch gesehen
normale Kennzeichen von Christusnachfolge und Jüngerschaft, für Christof Lenzen aber bloß gesetzlich.
„Mich allerdings versklavt dieser Anspruch und ich frage mich dann: Wo bleibt die Gnade, wenn ich doch
wieder in meiner persönlichen Spiritualität angewiesen bin auf bestimmte eingeschränkte Gesetze und Formen, auch wenn mir diese überhaupt nicht liegen?“8
Diese Erkenntnis, dass ein Anspruch versklaven kann, ist durchaus richtig. Darf mein HERR etwas
beanspruchen, darf er mich als sein Eigentum sogar versklaven? Diese Frage beantwortet hier eine zweite Publikation einige Seiten weiter. Lenzen bleibt auch hier seiner Linie treu: Was ihn einengt oder
einschränkt, ist gesetzlich. Und wenn Gesetze und Formen ihm „überhaupt nicht liegen“, fühlt er sich frei,
selbst zu bestimmen, was wie zu tun ist und erkennt darin noch die Gnade Gottes. So entsteht ein Glaube und auch ein Gott nach eigenen subjektiven Vorstellungen.
Die Erkenntnis ist für Lenzen bei allen Glaubensrichtungen gleich groß oder eher gleich klein. Über
Charismatiker schreibt er: „Die haben ein schmales Stückchen Kuchen, wir haben ein anderes schmales Stückchen Kuchen, und der Rest bleibt unentdeckt.“9
Damit ist es eigentlich beliebig, welche Prägung Christen mitbringen und ob der Hintergrund geistlich ist.
Eine bibeltreue Überzeugung ist auch nur „ein schmales Stückchen Kuchen“ wie bei den anderen, die vielleicht ganz andere und auch von der Bibel abweichende Überzeugungen haben.
„Wir können voneinander lernen, aber niemand ‚hat es drauf’!“10
Hier sollte die Bereitschaft sein, aus Quellen lernen zu können und zu wollen, die geistlich klar und nicht
verunreinigt sind. Lenzen geht in seiner Einschätzung der charismatischen Bewegung aber noch weiter:
„Es ist wichtig, Gottes Geist wahrzunehmen und sich von ihm (immer wieder neu) füllen zu lassen – das
dürfen wir nicht wieder aus den Händen geben. Diese neue Sensibilität für das Thema und die Wirkung des
Heiligen Geistes ist ein Verdienst der charismatischen und pfingstlichen Bewegung. Das ist ein wertvolles Erbe.“11
Zum Heiligen Geist bedarf es klarer biblischer Lehre, aber nicht einer unausgewogenen und
schwärmerischen Bewegung, die trotz fehlendem biblischen Beispiel oder Gebot den Heiligen Geist direkt anbetet. Eine Bewegung, die die heilsgeschichtliche Einordnung und Bedeutung der Geistesgaben
ausblendet, ist wohl kaum „ein wertvolles Erbe“.
„Das Neue Testament schildert die Ewigkeit bei Gott als Hochzeitsfest, als sinnliches Bankett voller
Lachen, Tanzen, Feiern und Freuen, Schmausen und Trinken – kurz: bunt, fröhlich, lecker.“12
Wiederum beschreibt Lenzen, wenn auch noch deutlicher, himmlische Ereignisse mit irdischen Sinnen und
Gefühlen. Wo sich das von ihm beschriebene „Bankett voller Lachen, Tanzen und Schmausen“ in der Bibel wiederfindet, bleibt unerwähnt.
„Wir malen uns den Himmel viel zu blass aus. Eine öde Wolkensitzerei. Harfengezupfe. Wer will das denn?“13
Mit „öder Wolkensitzerei und Harfengezupfe“ gebraucht Lenzen abfällig Vokabeln, die scheinbar Langeweile
ausdrücken sollen. Die Frage, ob man das will, stellt sich keinem, der die Ewigkeit bei seinem HERRN verbringen wird. Vom biblischen Zeugnis her geht es dort weder um öde Sitzerei und Zupferei, noch um
eine Fete mit Lachen, Tanzen und Schmausen, sondern um würdige und heilige Anbetung im Geist und in der Wahrheit.
„So darf auch dieses Leben ein Leben in Fülle sein, voller Freude und Genuss. Das sollten wir dann aber
auch anstreben und erforschen und nicht eher lockerlassen, bis wir unseren Weg gefunden haben.“14
Die Konsequenz seines Denkens ist klar: Genuss im Himmel rechtfertigt auch Genuss auf Erden. Sollte
ein geistlicher Christ danach streben und trachten? Sollte er seinen eigenen Weg suchen und finden? Die
einleitend erwähnten Bibelstellen dürften die Antworten mehr als deutlich klar machen. Der hier vorliegende Kontrast illustriert unzweideutig, was fleischlich und was geistlich ist.
Galater 5,24:
„Die aber Christus angehören, die haben das Fleisch gekreuzigt samt den Leidenschaften und Lüsten.“
Wie kann jemand, dessen eigenes Ich mit Christus gestorben ist, Genuss anstreben? Dient man dann
nicht nur seinem eigenen Bauch?
Römer 16,18:
„Denn solche dienen nicht unserem Herrn Jesus Christus, sondern ihrem eigenen Bauch, und
durch wohlklingende Reden und schöne Worte verführen sie die Herzen der Arglosen.“
Für Lenzen gilt es, „... Gewohntes hinter sich zu lassen. Nicht auf den ausgetretenen Pfaden zu verharren,
sondern den Sprung in eine andere, weniger befahrene Spur zu wagen oder vielleicht sogar eine eigene Spur aufzumachen.“15
Das Verharren oder Festhalten ist biblisch immer wieder geboten, nämlich an dem, was geschrieben steht
(Offb 3,11), was man gehört und gelernt hat (2Petr 1,19), worin man unterwiesen ist (2Thess 2,15).
Unabhängigkeit vom Überlieferten und Bewährten ist biblisch nicht geboten, erst recht nicht von zeitlos gültigen Wahrheiten.
„Das Sabbatgebot verschafft uns eine Atempause, außerdem bekommt man Zeit geschenkt, um sie mit
Freunden und der Familie zu verbringen, und nicht zuletzt, um sich einmal bewusst Zeit zu nehmen für die Beziehung zu Gott.“16
Sollte man sich nur einmal in der Woche, am Sonntag, bewusst Zeit nehmen für die Beziehung zu Gott
oder eher täglich? Sicherlich will Lenzen deutlich machen, dass der freie Sonntag besonders genutzt
werden sollte. Eine „besondere“ Zeit mit Gott sollte aber auch im Alltag freigehalten und damit nicht unerwähnt bleiben.
„Immer wieder erzählen mir Menschen, wie sie in ihrer Kirche oder in ihrer Freikirche mit religiösen
Gesetzen und Grenzen gequält worden sind: kein Alkohol, kein Tanzen, keine Hosen, keine böse Rockmusik – was auch immer. Im 19. Jahrhundert kämpften die Christen in Köln gegen die
Gasbeleuchtung der Straßen – Straßenlaternen verstießen gegen die göttliche Ordnung von Tag und Nacht. Kaum vorstellbar – und aus heutiger Sicht abstrus und abwegig.“17
Lenzen nimmt hier einen widersinnigen Vergleich von ethischen und technischen Entscheidungen vor.
Sicherlich ist die Straßenbeleuchtung seinerzeit auch ein ethisches Thema gewesen. Dass es heute als
„abstrus und abwegig“ gilt, kann aber nicht rechtfertigen, dass auch alle anderen ethischen Themen nicht
diskutiert werden könnten oder sollten. Lenzen plädiert für völlige Freiheit. Niemand soll wegen „was auch
immer“ mit ethischen Leitlinien „gequält“ werden. Doch gerade in Zeiten vermehrter endzeitlicher Verführung
und auch Anfechtung ethischer Art sollte es möglich sein, vorbildliche Hilfen zur Orientierung zu geben, nicht als qualvolle Gesetze und Grenzen, sondern als Anregungen zum Glaubenswachstum und auch
Glaubensgehorsam. Derjenige, der jedoch Gehorsam als einengend oder gesetzlich ablehnt, dem haben die vielen Imperative in den neutestamentlichen Briefen letztlich auch nichts mehr zu sagen.
Desweiteren relativiert Lenzen das Verbot der Tätowierung in 3. Mose 19+21. Er fragt: „Gilt das noch heute
? Wenn wir als Rechtsgelehrte denken, dann ja. Wenn wir als Christen denken, dann folgt ein klares Nein!
Tätowierungen waren in der Religion der Kanaaniter ein heidnisches Ritual bei Trauer. Genau von dieser
heidnischen und grausamen Religion sollten sich die Israeliten abgrenzen. Das Problem war also nicht die
Tätowierung selbst, sondern die Gesinnung hinter der Tätowierung – ein fremder, dunkler Kult.“18
Konsequenterweise müsste Lenzen auch das Verbot der Homosexualität in Römer 1,27 relativieren und
zwischen einer damaligen Kulthandlung und so genannter „echter Liebe“ unterscheiden. Nein, Tätowierungen sind grundsätzlich verboten. Sie sind Entstellungen, die ihren Ursprung in heidnischen
Kulthandlungen haben und daher nicht zur Ehre Gottes umfunktioniert werden können. Entstellungen am eigenen Körper sind schöpfungswidrig und ausschließlich heidnisch. Sie können daher nicht biblisch
geboten und von Gott gewünscht sein. Im Bezug auf den Umgang mit dem Wort Gottes geht es Lenzen um eine beziehungsmäßige statt juristische bzw. wörtliche Auslegung:
„Wer möchte schon mit einem Erbsenzähler verheiratet sein? Ich nicht! Gut, dass Gott anders ist.“19
Hier wird erneut deutlich, dass für Lenzen wohl alle persönlich herausfordernden Imperative im Wort Gottes
zum Glaubensgehorsam, zur Disziplin, Ermahnung und Warnung als einengend und gesetzlich abzulehnen sind. Er möchte unabhängig von solchen Vorgaben selbst entscheiden, ob ihm dies oder jenes liegt und
etwas bringt.
„Wo ein solches Gebot nicht mehr dem Menschen dient, sondern Gehorsam fordert und damit die
Menschen versklavt, da sagt uns Jesus Christus ganz deutlich: Überspring diese Grenze, es entspricht nicht meinem Denken und damit nicht dem Denken Gottes im Neuen Bund.“20
An dieser Stelle wird wiederholt aber auch ganz besonders deutlich, in welcher Beziehung der Gläubige zu
Gottes und seinem Wort steht:
Darf Gott Gehorsam fordern?
Dies ist eine entscheidende Frage zur Klärung, auf welcher Ebene die Beziehung zwischen Gott und
Mensch besteht. Ist es eine Beziehung auf Augenhöhe mit Gott als bloßem Freund, Kumpel oder Partner?
Oder ist Gott wirklich höher als der Mensch, der als HERR über ihm steht, Anbetung verdient und auch Gehorsam fordern darf?
„Wenn jemand behauptet, Sie müssten jeden Morgen beten und Bibel lesen, und Sie quält das und es
raubt Ihnen die Freude, weil Sie ständig daran scheitern, dann streifen Sie dieses Gebot ab, es dient nicht der Beziehung zu Jesus, sondern behindert sie.“21
Herausforderungen zu geistlichem Gehorsam und Disziplin gilt es also abzulehnen. Wenn alle Gebote nur
dem Menschen zu dienen haben, dienen sie damit lediglich seinen eigenen Bedürfnissen und Wünschen,
so wie er sich eben selber Christsein vorstellt. Wenn der Mensch Gott keinen Gehorsam mehr leistet, dient
er letztendlich nicht mehr einem Herrn, sondern Gott dient dem Menschen. Er ist nun selber Herr, weil es nach seinen Vorstellungen geht und gebraucht bzw. missbraucht Gott für ein angenehmes Leben. Gott
wird nicht zum Herrn des Menschen, sondern der Mensch wird zum Herrn über Gott – eine völlige
Umkehrung der biblischen Grundlagen. Das erste der Zehn Gebote „Ich bin der Herr, dein Gott.“ (Ex 20,2a) wird so zum „Ich bin der Herr, mein Gott.“ pervertiert.
„Wenn dann noch einer kommt, der ein Rezept verkaufen will, wie der Glaube wieder funktionieren kann,
dann sollte man schnell nachschauen, ob derjenige einen roten Pelz hat und zwei Hörnchen auf dem Kopf.
Denn das ist Verführung in die falsche Richtung, in die Richtung eines toten, kalten und verzweifelten Glaubens.“22
An dieser Stelle geht Lenzen noch einen Schritt weiter. Ließ er bisher verlauten, dass ermahnende und
herausfordernde Glaubenshilfen gesetzlich seien, sieht er sie nunmehr satanischen Ursprungs und kennzeichnet sie als Verführung. Solch ein ernstes Thema abfällig mit plumpen und verniedlichenden
Beschreibungen zu behandeln, lässt Zweifel aufkommen, ob der Autor wirklich versteht, um welche geistlichen Dimensionen es hier geht. In Anbetracht der bisher beschriebenen biblischen Vorgaben zu
Glaubenswachstum und Glaubensgehorsam stellt sich hier die Frage: Welche Sicht ist hier eigentlich wirklich Verführung? Lenzen fasst seine Sicht zusammen:
„Das ist keine frohe Botschaft, sondern eine einzige Sklaverei.“23
„Versuchen wir dennoch wieder, durch Glauben gegenüber irgendwelchen Gesetzen Gott zu gefallen,
riskieren wir es, aus dem Glauben herauszufallen und zwar christlich zu reden, aber eigentlich jüdisch zu handeln. Für diese geistliche Schizophrenie gibt es nur ein Urteil: Das ist Sklaverei.“24
Lenzen scheint nicht zu verstehen, dass biblischer Glaube nicht in einem freien, luftleeren Raum existiert,
sondern eingebunden ist in Ordnungen und Geboten. Diese biblischen Vorgaben kann man nicht weichspülen oder gar verleugnen. Bei diesen geht es auch nicht darum, sie einfach nur zu befolgen, um
Gott etwas zu beweisen oder zu gefallen, sich also sein Ansehen zu verdienen, sondern um im Glauben zu
leben und zu wachsen. Für Lenzen scheint nur diese eine pharisäische Variante möglich zu sein, wenn
man äußere Vorgaben gehorsam befolgt. Ein geistlich gesinnter und gesunder Glaube bleibt bei ihm völlig
unerwähnt. Kompromisslose Jüngerschaft durch gehorsame Christusnachfolge und Hingabe ist bei ihm
jedoch „toter, kalter und verzweifelter Glaube“. Es gibt für ihn entweder nur eine gesetzliche Bindung und Sklaverei oder totale individuelle Freiheit und Unabhängigkeit.
Zum Schluss bietet Lenzen praktische Alternativen, die den Glauben fördern und bereichern sollen:
„Eine weitere Übung kann uns helfen: Man setzt sich für eine Minute ruhig hin und denkt beim Einatmen:
‚Herr Jesus Christus’, und beim Ausatmen: ‚Du bist da!’ Ganz wichtig ist, dass man in der Pause vor dem
Wiedereinatmen die Ohren des Herzens spitzt, ob Gott reden möchte. So schult man die Konzentration auf das Wesentliche, die Gegenwart Gottes, und öffnet sich gleichzeitig für sein Reden im Alltag. Mir
persönlich hilft es oft auch, kurz aufzumerken, mitten in dem, was ich gerade tue. Ich unterbreche für ein
paar Sekunden und denke: ‚Herr, du bist gerade da, du willst handeln und reden, ich bin bereit.’ Und dann werde ich wieder still für ein paar Sekunden und lausche auf Gottes leises Reden.“25
Welcher Weg bleibt noch übrig, wenn man sich im Glauben nicht an die Heilige Schrift hält, die Gott
offenbart hat? Der Weg der Mystik. Kontemplative Stilleübungen und fernöstliche Atemtechniken mit mantraartigen Formeln sind keineswegs Alternativen zu einem biblisch orientierten Glauben auf dem
schmalen Weg. Dieser Weg lässt sich nicht esoterisch verbreitern. Gerade das ist nämlich „Verführung in
die falsche Richtung“, vor der Christof Lenzen für ein authentisches Christsein eigentlich warnen will.
„Halte inne, lausch in dich hinein, werde ruhig. Und in dieser ungefähren Region, von der unser Körper
diese Signale sendet, wohnt auch die Stimme Gottes und spricht uns an.“26
Wer Gottes Stimme vernehmen will, ist auf seine Offenbarung in der Heiligen Schrift angewiesen. Durch
außerbiblische Übungen und Techniken kann man nicht auf Gottes leises Reden lauschen, sondern wird
verführt und betrogen. Wer nicht akzeptiert, wie Gott sich offenbart hat bzw. offenbaren will, macht ihn, den
man eigentlich sucht, zum Götzen seiner eigenen Vorstellungen. Bei all diesen egozentrischen, genusssüchtigen und mystischen Ausführungen dieses FeG-Pastors verwundert es nicht, wenn man bei
den „literarischen Inspiratoren“27, bei denen er sich am Schluss des Buches bedankt, eben auf lauter
mystische Autoren und Vertreter der emergenten „Neuen Spiritualität“ stößt wie Rob Bell, Christian A. Schwarz, Eugene Peterson und Henri Nouwen.
John MacArthur: „Sklave Christi“
In eine ganz andere Richtung geht John MacArthur, Pastor der Grace Community Church in Sun Valley,
Kalifornien (USA), mit seinem Buch „Sklave Christi. Die unterschlagene Wahrheit über deine Identität in Christus“.
Dem Autor fiel auf, dass das griechische Wort für „Sklave“ seit Jahrhunderten lediglich mit „Diener“ oder
„Knecht“ übersetzt wurde. Der Grund lag darin, dass mit einem Sklaven ein in Ketten oder im Gefängnis Gefangener assoziiert wurde, der in einem ungerechten System unterdrückt wurde. Die mildere
Bezeichnung hatte jedoch zur Folge, dass ein falsches Verständnis vorliegt, das die Beziehung des Gläubigen zu Gott beeinträchtigt. MacArthur beschreibt den Missstand und seine Auswirkungen treffend:
„Heute hören wir in den Gemeinden nicht mehr viel von diesem Begriff und seiner Bedeutung. Die heutige
Christenheit benutzt Ausdrücke wie ‚Sklave’ nicht mehr. Stattdessen wird von Erfolg, Gesundheit, Wohlstand und Glück geredet. Oft hören wir, dass Gott die Menschen bedingungslos liebt und sie so
haben will, wie sie sein wollen. Er möchte ihnen angeblich jeden Wunsch, jede Hoffnung und jeden Traum erfüllen. Persönliche Ambitionen, persönlicheErfüllung, persönliche Zufriedenheit – all das gehört zum
Sprachgebrauch der evangelikalen Christenheit und zu einer ‚persönlichen Beziehung zu Jesus Christus’.
Statt das neutestamentliche Evangelium zu lehren – welches Sünder aufruft, sich Christus unterzuordnen –, ist die aktuelle Botschaft das genaue Gegenteil: Jesus ist da, um all deine Wünsche zu erfüllen. Viele
Evangelikale vergleichen ihm mit einem persönlichen Assistenten oder Trainer oder reden von einem persönlichen Erlöser, der ihnen bei ihrem Streben nach Selbstzufriedenheit oder individuellen Zielen
bereitwillig hilft. Das neutestamentliche Verständnis von der Beziehung des Gläubigen zu Christus könnte nicht gegensätzlicher sein.“28 [Hervorhebung im Original]
Die Frage ist nun natürlich, ob das Bild eines Sklaven wirklich die biblische Wahheit ausdrückt? Welche
Bedeutung hat dieses Bild eines Sklaven?
Dabei ist zu bedenken, dass der HERR Jesus den Gläubigen von der Macht und auch Sklaverei der Sünde
losgekauft hat – und das für einen Preis, den er mit seinem eigenen Blut selbst bezahlt hat. Durch diesen Loskauf ist der Gläubige das Eigentum seines HERRN geworden. Hier liegt gewissermaßen
Leibeigenschaft vor. In diesem Verhältnis ist der Gläubige von seinem HERRN abhängig in allen Belangen
und kann sich ihm nur völlig unterwerfen. Auch kann er sich nur selbst verleugnen, da er unabhängig von
seinem HERRN über keinerlei eigene Rechte verfügt. Damit ist auch ein Verlust der Selbstbestimmung verbunden. Diese Tatbestände wirken für die meisten Gläubigen unattraktiv, wenn sie versäumen, zu
bedenken, dass sie nicht einem ungerechten Despoten, sondern dem mächtigsten und allein anbetungswürdigen HERRN aller Herren gehören.
MacArthur stellt fest: „Und wenn wir all das verstehen, ändert sich alles bei uns, angefangen bei unserer
Perspektive und unseren Prioritäten.“29
Der Autor ist überzeugt: „Ein Sklave Christi zu sein, ist der größte vorstellbare Segen"30
Warum? Weil der HERR Jesus ein absolut vertrauenswürdiger HERR ist. So zählt MacArthur auf, was
jeden Christen eigentlich überzeugen und zu uneingeschränkem Vertrauen zu seinem HERRN führen sollte: „Sein Wesen ist vollkommen; seine Liebe unendlich; seine Macht beispiellos; seine Weisheit
einzigartig; und seine Güte unvergleichlich.“31
Diese Eigenschaften Gottes können keinesfalls mit menschlichen Vorstellungen konkurrieren und lassen
einem geistlich gesinnten Christen keine andere Wahl, als sich konsequent diesem wunderbaren HERRN anzuvertrauen und auszuliefern. Das Verhältnis zum HERRN ist dadurch entscheidend geprägt und sollte
auch nachhaltig das Leben im Gesamten beeinflussen und ausmachen.
Unbewußt geht John MacArthur auch auf das von Christof Lenzen oft erwähnte Thema Freiheit ein. Ist
Freiheit individuelle Unabhängigkeit und Verwirklichung eigener Vorlieben und Freuden, um das Leben zu genießen?
Hierfür zitiert er eindrückliche Stellen aus einem Wycliff-Kommentar zum Römerbrief: „Die Freiheit des
Christen ist nicht die Freiheit, zu tun, was er will, sondern die Freiheit, Gott gehorsam zu sein – bereitwillig, freudig, natürlich.“32
Dieser Kommentar scheint die unbiblischen und ungeistlichen Denkvorstellungen vom Wunsch nach
Freiheit schonungslos zu entlarven: „Die Menschen stehen nicht vor der Entscheidung: ‚Soll ich meine
Freiheit behalten oder sie aufgeben und mich Gott beugen?’, sondern ‚Soll ich der Sünde dienen oder Gott?’“33
Damit besteht echte Freiheit nicht im Wunsch, das Leben zu genießen und im Befolgen eigener
Sehnsüchte und Begierden, sondern – ganz im Gegenteil – in deren Überwindung.
Was folgt daraus? Befreite sind Sklaven! – Eine für Lenzen wohl paradoxe, aber von MacArthurs Studien
her durchaus biblisch legitime Erkenntnis. Dies betrifft alle Christen ohne Ansehen der Person. Auch
Leitende und Älteste bleiben trotz verantwortlicher Stellung und einem gewissen Ansehen in der Gemeinde
vor ihrem HERRN Sklaven. Das ist keine Abqualifizierung, sondern eine Ehre, weil es der HERR selbst ist, der dieses Verhältnis ausmacht. Nur, wer sich seinem HERRN unterwirft, wird von echter Demut
bestimmt. Wer trotz seiner sündigen Natur noch nach eigenen Vorstellungen lebt und eigenen Wegen vertraut, ist hochmütig. Ein Schlüsselvers findet sich sowohl in Jakobus 4,6 als auch in 1. Petrus 5,5:
„Gott widersteht den Hochmütigen; den Demütigen aber gibt er Gnade.“
Als Vorbild kann der Apostel Paulus dienen, wenn er zum Beispiel in 1. Korinther 4 beschreibt, wie er
immer wieder bereit war, sich um Christi willen wie ein Sklave behandeln zu lassen. Paulus formuliert in Galater 2,20 seine neue Identität in Christus:
„Ich bin mit Christus gekreuzigt; und nun lebe ich, aber nicht mehr ich [selbst], sondern Christus
lebt in mir. Was ich aber jetzt im Fleisch lebe, das lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat.“
Auch Charles Haddon Spurgeon (1834-1892) hat diese Identität hochgehalten: „Wo unsere autorisierte
[King James] Version abschwächend ‚Diener’ verwendet, steht in Wirklichkeit ‚Sklave’. Die frühen Heiligen
freuten sich darüber, sich als das uneingeschränkte Eigentum Christi zu betrachten, von ihm erkauft zu sein, ihm zu gehören und vollständig zu seiner Verfügung zu stehen.“34
Diese Freude sieht auch Alexander Maclaren (1826-1910) in seinem Kommentar zur Apostelgeschichte als
das wahre Glück an: „Denn, Brüder, eine solche Unterordnung, absolut und bedingungslos, das Aufgehen meines Willens in seinem Willen, ist das Geheimnis von allem, was den Mensch schön und groß und
glücklich macht.“35
Diese Art von Glück und Freude kommt aus einer anderen Welt als der des irdischen Lebensgenusses.
Verstehen kann sie nur, wem Gottes Größe und Wesensart in seinem Wort durch den Heiligen Geist aufgeschlossen worden ist.
Die Antwort ist eindeutig
John MacArthur entlarvt die neoevangelikale Genuss- und Wellness-Welle schonungslos als Pragmatismus: „Die Wohlstandsprediger machen den Mensch zum Herrn, als wäre Christus eine Art
Flaschengeist und verpflichtet, denen Gesundheit, Reichtum und Glück zu gewähren, die genug Geld spenden. Sie wählen diesen Weg, weil er erfolgreich das unerlöste Fleisch anspricht.“36[Hervorhebung im Original]
In seinem Buch formuliert er Thesen, die Christof Lenzen schlichtweg erschaudern lassen würden: „Das
Evangelium fordert uns nicht bloß dazu auf, Mitarbeiter Christi zu werden; wir sollen seine Sklaven werden.“37
Und in der Tat – die Bezeichnung „Sklave“ drückt wesentlich besser und deutlicher aus, dass ich des
HERRN Eigentum bin und nicht nur sein Mitarbeiter oder Diener. Ein Diener oder Knecht kann als bloßer Angestellter nach Feierabend seinen eigenen Bedürfnissen nachgehen und unabhängig von seinem
HERRN sein Leben führen. Der Sklave dagegen gehört seinem HERRN, ist sein Eigentum und hat keinen Anspruch auf Feierabend, sondern ist stets von dessen Gnade abhängig. Er kann keine Rechte
aushandeln oder gar einfordern. Wer diese Leibeigenschaft verstanden hat, wird nicht mehr fragen, was habe ich vom Glauben oder was bringt mir das. Er wird nicht danach streben, sein Leben zu genießen,
sondern seinem HERRN ergeben sein und ihm in allen Belangen zur Verfügung stehen.
----------------------------- Alle Rechte vorbehalten.
Abdruck, Veröffentlichung jeglicher Art, auch auszugsweise, nur mit aus- drücklicher Genehmigung des Autors. Thorsten Brenscheidt Tüfinger Str. 3 D-88690 Uhldingen
info@brenscheidt.eu
-----------------------------
Anmerkungen:
Bibelzitate sind der revidierten Schlachter-Ãœbersetzung entnommen, Version 2000.
1 Lenzen, Christof: Glauben genießen. Eine kulinarische Reise zu einem authentischen Christsein (Witten:
R. Brockhaus, 2008), U4.
2 Ebd., S. 10.
3 Ebd., S. 12-13.
4 Ebd., S. 13.
5 Ebd., S. 14.
6 Ebd.
7 Ebd.
8 Ebd., S. 15.
9 Ebd., S. 16.
10 Ebd.
11 Ebd., S. 81.
12 Ebd., S. 23.
13 Ebd.
14 Ebd., S. 24.
15 Ebd., S. 26.
16 Ebd., S. 29.
17 Ebd., S. 30.
18 Ebd., S. 30-31.
19 Ebd., S. 31.
20 Ebd.
21 Ebd., S. 34.
22 Ebd., S. 108.
23 Ebd., S. 109.
24 Ebd., S. 110.
25 Ebd., S. 136.
26 Ebd., S. 162.
27 Ebd., S. 179.
28 MacArthur, John: Sklave Christi. Die unterschlagene Wahrheit über deine Identität in Christus
(Oerlinghausen: Betanien, 2011), S. 20f.
29 Ebd., S. 28.
30 Ebd., S. 90.
31 Ebd.
32 Ebd., S. 134.
33 Ebd.
34 Ebd., S. 26, 203.
35 Ebd., S. 27, 205.
36 Ebd., S. 74.
37 Ebd., S. 25.
|