hauskreis4

Sonnenuntergang1

 


Leseprobe aus: Erwählt vor Grundlegung der Welt

Aus dem Inhalt:

Vorwort des deutschen Herausgebers

Die Souveränität Gottes

Erwählung

Persönliche Sühne

Die Unfähigkeit des Menschen

Wirksame Berufung

Die Lehren der Gnade verleiten nicht zur Sünde

2. Das Ziehen des Vaters S. 82-85

»Niemand kann zu mir kommen, wenn nicht der Vater, der mich gesandt hat, ihn zieht.« Wie zieht der Vater Menschen? Arminianer sagen im Allgemeinen, Gott ziehe Menschen durch die Predigt des Evangeliums. Das ist wahr, die Verkündigung des Evangeliums ist das Instrument, um Menschen zu Christus zu ziehen, aber es muss noch mehr geben als das. An wen richtete Christus diese Worte? An die Einwohner von Kapernaum, zu denen er häufig predigte und ihnen die Warnungen des Gesetzes und die Anforderungen des Evangeliums sagte. In dieser Stadt hatte er große Werke und viele Wunder vollbracht. Trotz seiner Lehren, die er durch Wunder bekräftigte, musste er ihnen erklären, dass Tyrus und Sidon schon längst in Sack und Asche Buße getan hätten, wenn sie solche Vorrechte gehabt hätten.
   Wenn sogar Jesu eigene Predigt diese Menschen nicht zu ihm ziehen konnte, ist mit dem väterlichen Ziehen unmöglich allein das Predigen gemeint. Nein, Brüder, er sagt nicht, niemand könne zu ihm kommen, wenn nicht der Prediger ihn zieht, sondern wenn nicht der Vater ihn zieht. Ja, man kann auch vom Evangelium und vom Prediger gezogen werden, ohne dass der Vater beteiligt ist. Aber gemeint ist eindeutig ein Ziehen durch Gott, den Höchsten - die erste Person der Dreifaltigkeit sendet die dritte Person, den Heiligen Geist, um einen Menschen zu Christus zu führen.
   Da mag jemand spöttisch meinen: »Dann glaubst du also, Christus ziehe unwillige Menschen zu sich!« Ich erinnere mich an einen Mann, der zu mir sagte: »Du lehrst, Christus zöge Menschen förmlich an den Haaren herbei.« Ich fragte ihn, ob er mir den Tag nennen könne, an dem ich diese außergewöhnliche Lehre vertreten habe, denn wenn er es könnte, würde er mir einen großen Gefallen tun. Er konnte das allerdings nicht. Ich erwiderte ihm, Christus zieht die Menschen zwar nicht an ihren Haaren zu sich, aber er zieht ihr Herz ebenso kraftvoll, wie die genannte Karikatur es unterstellt. Das Ziehen des Vaters ist völlig frei von Druck. Christus zwingt niemanden, gegen seinen Willen zu ihm zu kommen. Wenn ein Mensch nicht errettet werden will, rettet Christus ihn nicht gegen seinen Willen. Wie zieht der Heilige Geist ihn denn dann? Indem er ihn willig macht. Er benutzt keine »seelischen Druckmittel«, er kennt eine direktere Methode, um das Herz zu erreichen. Er geht bis zur verborgenen Quelle des Herzens und durch eine geheimnisvolle Operation weiß er, wie der Wille in die entgegengesetzte Richtung zu wenden ist. So wird der Mensch, wie Ralph Erskine es paradoxerweise ausdrückt, »bei voller Zustimmung gegen seinen Willen« errettet - d. h. er wird gegen seinen alten Willen errettet. Und doch stimmt er seiner Errettung absolut zu, weil er durch Gottes Kraft willig gemacht wurde.
   Ihr dürft nicht glauben, jemand sei auf dem Weg in den Himmel, der die ganze Zeit gegen die Hand, die ihn führt, ausschlägt und ankämpft. Ihr dürft nicht meinen, jemand würde im Blut des Erlösers reingewaschen, während er gleichzeitig versucht, dem Heiland zu entkommen. 0 nein, sicherlich ist wahr, dass der Mensch zunächst unwillig ist, sich erretten zu lassen. Doch wenn der Heilige Geist an seinem Herzen wirkt, ist es so, wie das Hohelied es beschreibt: »Zieh mich dir nach, lass uns eilen!« Wir folgen ihm, während er uns zieht, und sind froh, der Stimme zu gehorchen, der wir zuvor widerstanden. Aber der wesentliche Punkt ist die Veränderung des Willens.
   Wie das vonstatten geht, weiß niemand. Es ist eines jener Geheimnisse, die dennoch Realität sind, aber deren Ursache keine Zunge erklären und kein Herz ermessen kann.
   Was wir jedoch beschreiben können, ist die Vorgehensweise des Heiligen Geistes. Wenn der Heilige Geist am Herzen zu wirken beginnt, sieht er, dass der Mensch eine hohe Meinung von sich selbst hat. Doch ist nichts hinderlicher, um zu Christus zu kommen, als eine hohe Meinung von sich selbst. Der Mensch sagt: »Ich möchte nicht zu Christus kommen. Meine Gerechtigkeit ist so gut, wie man sie sich nur wünschen kann. Ich glaube zu Recht in den Himmel zu kommen.« Der Heilige Geist legt sein Innerstes bloß und lässt ihn das widerliche Krebsgeschwür erkennen, welches sein Leben auffrisst. Er deckt ihm die ganze Finsternis und Verunreinigung des menschlichen Herzens auf, sodass er erschrickt: »Ich hätte nie gedacht, dass ich so bin. 0, ich dachte, meine Sünden wären gering, aber sie haben sich zu gewaltigen Ausmaßen aufgetürmt. Was ich für einen Maulwurfshügel hielt, ist zu einem Berg geworden. Erst war es nur ein Ysopkraut an der Mauer, doch nun ist es zu einer Zeder des Libanon geworden.« Er sagt zu sich selbst, »0, ich werde versuchen, mich zu ändern. Ich werde genug Gutes tun, um die schlechten Dinge auszubügeln.«
   Dann kommt der Heilige Geist und zeigt ihm, dass er das nicht tun kann. Er nimmt ihm all seine einbildete Kraft und Fähigkeit, sodass sich der Mensch in seiner Drangsal hinkniet und ausruft: »O, zuvor dachte ich, ich könnte mich durch meine guten Taten selber retten, aber jetzt merke ich:

Würden meine Tränen auch nie versiegen
und mein Eifer grenzenlos sein,
nichts könnte meine Sünden aufwiegen,
du musst mich retten, du allein.

   Dann sinkt der Mut und der Mensch gibt alle Hoffnungen auf. Er sagt: »Ich kann niemals errettet werden. Nichts kann mich retten.« Nun kommt der Heilige Geist und zeigt dem Sünder das Kreuz Christi, tut ihm die Augen auf und spricht: »Schau aufs Kreuz. Der Mann dort starb, um Sünder zu retten. Du meinst, ein Sünder zu sein, dann starb er für dich.« Und er befähigt ihn, zu glauben und zu Christus zu kommen. Wenn jemand durch das Ziehen des Heiligen Geistes zu Christus kommt, wird er merken: »Der Friede Gottes, der allen Verstand übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken bewahren in Christus Jesus« (Phi14,7)
   Jetzt erkennt ihr, dass alles ohne jeglichen Zwang geschieht. Der Mensch wird so in Übereinstimmung mit seinem Willen gezogen, als wäre er überhaupt nicht gezogen worden. Sein Einverständnis, zu Christus zu kommen, ist so vollkommen, als hätte nie ein verborgenes Wirken an seinem Herzen stattgefunden. Aber dieses Wirken muss geschehen, ansonsten könnte und wollte sich nie ein Mensch zum Herrn Jesus Christus wenden.

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